Nach langem Geknorze hat sich das Parlament auf einen Kompromiss zur Abschaffung des Eigenmietwerts geeinigt. Begeisterungsstürme gab es im Ständerat dafür aber nicht.
Vielleicht gab Peter Reber den Ausschlag. Der Berner Liedermacher hatte am Montagabend im Bundeshaus beim traditionellen Essen der parlamentarischen Gruppe «Wohn- und Grundeigentum» einen Auftritt mit seiner Tochter. Dort, so steht es zumindest in den sozialen Medien, habe Reber sich die Abschaffung des Eigenmietwerts gewünscht. Und im Advent darf man sich ja auch mal was wünschen.
Der Wunsch von Reber ging jedenfalls in Erfüllung. Am Mittwoch haben sich National- und Ständerat nach langem Ringen auf eine gemeinsame Variante geeinigt. Der Eigenmietwert soll sowohl bei Erst- wie Zweitwohnungen abgeschafft werden, und Schuldzinsen können nicht mehr generell abgezogen werden. Konkret fallen etwa die Abzüge für Personen oder Familien, die ausschliesslich über selbst bewohnte Immobilien verfügen, komplett weg.
Damit scheint es tatsächlich möglich, dass nach siebenjähriger Debatte im Parlament eine mehrheitsfähige Vorlage auch die Schlussabstimmung am kommenden Freitag übersteht. Auch wenn es gerade im Ständerat viele unzufriedene Gesichter gab. Die kleine Kammer wollte eigentlich mehr Abzugsmöglichkeiten und dass auf Zweitwohnungen weiterhin Eigenmietwert erhoben werden soll.
Vermögende Rentner profitieren am stärksten
Die jetzige Variante ist ein klassischer Kompromiss. Er geht genau so weit, dass selbst Linke hinter dem Systemwechsel stehen können, und verzichtet auf die Beibehaltung vieler Abzugsmöglichkeiten, wie es sich viele Bürgerliche gewünscht hätten. In erster Linie geht es dem Parlament offensichtlich darum, dass der Eigenmietwert abgeschafft wird.
Aber wer würde am Schluss profitieren? Die Hypotheken-Vermittlungsplattform Moneypark hat für CH Media vier Rechenbeispiele gemacht mit dem nun vorgeschlagenen Modell. Moneypark CEO Lukas Vogt kommt zu einem klaren Urteil: «Die grossen Profiteure der derzeit diskutierten Abschaffung des Eigenmietwerts sind Rentner, welche in einer alten Immobilie wohnen, die sie damals günstig gekauft und wo sie ihre Hypothek mittlerweile stark amortisiert haben; wo sie nur noch das Nötigste an Unterhaltsarbeiten machen.»
Bei solchen Rentnern könnte durch den Wegfall des Eigenmietwerts «durchaus ein Viertel ihrer Steuerlast» eingespart werden. Das wurde auch in der Parlamentsdebatte immer wieder betont. Es war teilweise sogar die Rede von pensionierten Paaren, die wegen der grossen Belastung durch den Eigenmietwert gezwungen waren, ihr Eigenheim zu verkaufen. Demgegenüber hielt die Ratslinke dagegen, dass eigentlich nur sehr gut situierte Rentner über ein beinahe abbezahltes Haus verfügen. Diese hätten wohl auch genügend Vermögen anhäufen können.
Für das absolute Gros der Immobilienbesitzer ändert sich laut Moneypark kaum etwas. «Für Erstkäufer und erwerbstätige Immobilienbesitzende ändert sich voraussichtlich wenig», sagt Vogt. Im Rechenbeispiel bezahlt das Paar um die 55 unter dem Strich leicht mehr Steuern, die Erstkäufer-Familie leicht weniger. «Eigenmietwert und Abzüge heben sich schon heute praktisch auf, weshalb durch den Wegfall des Eigenmietwerts und gleichzeitigen Wegfall der Abzüge fast Parität herrscht», so Graf.
Hohe Ausfälle für Bund und Kantone
Durch den Ersterwerbabzug würden Erstkäufer «ganz leicht» von der Abschaffung profitieren. Diesen Abzug können alle Personen und Familien, die zum ersten Mal eine selbst bewohnte Immobilie kaufen, im ersten Steuerjahr vornehmen. Auf diesen Passus im neuen Regelwerk haben sich die Räte schon früh geeinigt.
Zu den Verlierern der Abschaffung gehören laut Moneypark «wohlhabende Immobilienbesitzer, welche mehrere Wohneinheiten besitzen». Im gerechneten Beispiel werden rund 5000 Franken zusätzliche Steuern fällig – allerdings bei einer bereits heute hohen jährlichen Steuerbelastung von über 90'000 Franken.
Gesamthaft rechnet der Bund bei einem Zinsniveau von 1,5 Prozent mit Einnahmeausfällen für Bund, Kantone und Gemeinde bei der nun vorgeschlagenen Variante in der Höhe von 1,67 Milliarden Franken. Besonders schmerzhaft ist der Einschnitt für die Bergkantone mit hohem Zweitwohnungsanteil. Extra für sie hat der Nationalrat (der Ständerat behandelt die Vorlage erst am Donnerstag) eine Initiative ausgearbeitet, die die Einführung einer Objektsteuer auf Zweitliegenschaften ermöglicht. Diese ist mit der Abschaffung des Eigenmietwerts verknüpft.
Und genau hier liegt der grösste verbleibende Knackpunkt dieser Vorlage. Hier braucht es die Zustimmung von Volk und Ständen. Bereits in der Vernehmlassung hatten sich zahlreiche Kantone deutlich gegen einen Systemwechsel ausgesprochen. Sie wollen lieber beim jetzigen Modell bleiben und so ihre Steuereinnahmen erhalten.
Die heisse Kartoffel wird weitergegeben
Martin Schmid (FDP/GR) sprach von «einem extrem risikoreichen Weg», den das Parlament da einschlage. Die Abstimmung werde extrem schwierig zu gewinnen, und er werde sich im Abstimmungskampf «vornehm zurückhalten». Kantonskollege Stefan Engler (Mitte) sagte: «Wir geben damit die heisse Kartoffel einfach weiter ans Volk.» Richtig beherzte Fürsprecher gab es im Ständerat kaum.
Ob das Vorhaben tatsächlich zum Fliegen kommt, muss sich in den nächsten Tagen und Wochen weisen. Am Ende droht es der Abschaffung so zu ergehen, wie dem berühmten Hippigschpängschtli von Peter Reber. Sie wissen schon: «däm Gschpängschtli, wo geng alles abverheit».
Michael Graber, Aargauer Zeitung
Die Aargauer Zeitung berichtet in der Print- und der Online-Ausgabe vom 19. Dezember 2024 über die aktuelle Debatte im National- und Ständerat zur Abschaffung des Eigenmietwerts. Dabei wird der Beitrag von HEV-Geschäftsführer Ralph Bauert auf der Plattform X zitiert, in welchem Ralph Bauert erwähnt, dass sich Liedermacher Peter Reber die Abschaffung vom Eigenmietwert wünscht.