Asbest ist seit fast 35 Jahren verboten, trotzdem findet man ihn noch heute in Häusern und Wohnungen, zum Beispiel in Fassadenverkleidungen, Dacheindeckungen, Wand- und Bodenbelägen. Vor allem bei Umbauten ist Vorsicht geboten.
Der Experte: Walter Hiltpold Vizepräsident des Schweizerischen Verbands für Gebäudeschadstoffe (FAGES)
Asbest ist ein Sammelbegriff für faserförmige Mineralien, die in Gesteinen eingelagert sind und in Ländern wie China und Russland noch heute abgebaut werden. Asbest ist hitze- und säurebeständig, strapazierfähig und isoliert gut. Diese Eigenschaften sowie sein attraktiver Preis machten ihn lang zu einem beliebten Werkstoff – in der Schweiz vor allem in der Zeit von 1904 bis 1991. Nach einem Boom zwischen 1950 und 1970 ebbte die Asbesteuphorie allmählich ab. Seit 1990 ist die Verwendung von Asbest in der Schweiz verboten.
«Das heisst, in Gebäuden, die vor 1990 gebaut wurden, ist Asbest die Regel und nicht die Ausnahme. Bei Umbauten ist deshalb Vorsicht geboten», betont Walter Hiltpold, Vizepräsident des Schweizerischen Verbands für Gebäudeschadstoffe (FAGES). Asbest findet sich hauptsächlich in Fassadenverkleidungen, Dacheindeckungen, Wand- und Bodenbelägen, ebenso in Deckenplatten, Rohrisolationen, Zwischenböden oder Platten hinter Elektroinstallationen, unter Fensterbänken, in Elektrospeicheröfen oder Blumenkisten, fast immer in Verbindung mit anderen Materialien wie Kunststoff, Gips oder Zement.
«Kassensturz» löst Panik aus
«Von den Zusatzstoffen hängt es letztlich ab, ob sich die Asbestfasern leicht lösen und damit eingeatmet werden können oder ob sie fest im Material gebunden sind. Entsprechend sind Produkte mit einem hohen Faserfreisetzungspozential (schwach gebundener Asbest) gefährlicher als solche mit einem tiefen (fest gebundener Asbest)», weiss der Experte, der zu den Pionieren der Asbestdiagnostik gehört und Gebäude seit den 90er-Jahren auf asbesthaltige Materialien untersucht. «Das war nicht immer einfach, zumal ständig neue Erkenntnisse hinzukamen. Dass Asbest zum Beispiel in Fensterkitt vorkommt, wurde erst im Jahr 2000 durch Hinweise einer Studentin entdeckt.»
Eine «Kassensturz»-Sendung über Bodenbeläge sorgte 1994 für Aufsehen: «Ein Experte aus Hamburg erklärte in der Sendung, dass in vielen Bodenbelägen Asbest enthalten sei, was zu einer grossen Verunsicherung in der Bevölkerung führte. Die Suva verzeichnete am nächsten Tag Hunderte Anrufe, auch bei uns liefen die Drähte heiss. Für die Branche war die Erkenntnis sehr hilfreich, dass es nicht nur Spritzasbest gibt, sondern Asbest auch in Baumaterialien verbaut wurde.» «Kassensturz» strahlte eine Folgesendung aus, um die Bevölkerung noch detaillierter zu informieren, unter anderem, dass unbearbeiteter Asbest kein gesundheitliches Risiko darstelle.
Ermittlungspflicht gesetzlich vorgeschrieben
Nach dem Asbestverbot 1990 stellte der Gesetzgeber den Schutz der Arbeitnehmenden in den Fokus, die bei Sanierungen oder Umbauten mit asbesthaltigen Baustoffen konfrontiert sind. Seit 2009 schreibt die Bauarbeitenverordnung (BauAV) eine Ermittlungspflicht vor, die übrigens auch für weitere Schadstoffe wie PCB, PAK, Schwermetalle und andere gilt. «Das bedeutet, dass Arbeitgeber vor Beginn von Bauarbeiten in asbestverdächtigen Gebäuden die Gefährdungen ermitteln und eine Risikobeurteilung durchführen müssen.»
Wird ein Asbestvorkommen festgestellt, schreibt die Suva folgendes Vorgehen vor: «Arbeiten mit geringer oder mässiger Faserfreisetzung dürfen durch instruierte Handwerker und unter Einhaltung der Schutzmassnahmen durchgeführt werden. Arbeiten mit erheblicher Faserfreisetzung dürfen nur durch Asbestsanierungsfirmen durchgeführt werden, die von der Suva anerkannt sind.»
Bauherr ist für Entsorgung verantwortlich
Was bedeutet das nun für Sanierungs- und Umbauvorhaben in Einfamilienhäusern? «Bei baulichen Eingriffen in Gebäude, die vor 1990 erstellt wurden, muss eine Schadstoffuntersuchung von einer Fachperson durchgeführt werden. Das verlangen die meisten Kantone bei der Eingabe des Baugesuchs, das für grössere Sanierungs- und Umbauprojekte notwendig ist», erklärt Walter Hiltpold.
Für die Durchführung von Schadstoffuntersuchungen sind Fachpersonen und anerkannte Prüfstellen beizuziehen, die über die notwendigen Fachkenntnisse verfügen und sich regelmässig weiterbilden. Das Forum Asbest Schweiz führt eine entsprechende Liste. «Eine Diagnostikerin oder ein Diagnostiker entnimmt im Gebäude Proben von Materialien, die Asbest enthalten könnten, und lässt diese im Labor untersuchen», erklärt Walter Hiltpold. «Diese Abläufe sind bei Vorhaben mit Baueingabe gut geregelt. Heikler sind kleinere Umbauten wie der Ersatz eines Bodenbelags oder die Sanierung eines Badezimmers, für die keine Baugesuche nötig sind.»
Auch in diesen Fällen gilt die Ermittlungspflicht gemäss Bauarbeitenverordnung, und die Schadstoffe müssen ausfindig gemacht werden. «Umgeht der Arbeitgeber die Abklärung, gefährdet er seine Mitarbeitenden, die immer wieder dieser Gefahr ausgesetzt sind, und die Suva kann mit Leistungskürzungen reagieren. Das Problem liegt aber oft darin, dass der Betrieb aus Angst, den Auftrag zu verlieren, nicht darauf besteht, obwohl er diese Pflicht hat und die Verantwortung für die Arbeitssicherheit seiner Mitarbeitenden trägt», weiss Walter Hiltpold aus Erfahrung und nimmt auch die Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer in die Pflicht, die auf einer Ermittlung bestehen und vor allem nicht nach dem Motto «so günstig wie möglich» umbauen sollten. Sie sind nämlich später für die fachgerechte Entsorgung der Abfälle verantwortlich (Abfallverordnung, VVEA, 3. Abschnitt, Artikel 16) und unterstehen wie der Arbeitgeber einer Ermittlungspflicht.
«Zusätzlich treten Gefährdungen auf, wenn der Hausbesitzer selbst Hand anlegt und zum Beispiel einen asbesthaltigen Bodenbelag herausreisst oder asbesthaltigen Dachschiefer mit dem Trennschleifer teilt», sagt Walter Hiltpold und erzählt von einem Fall, bei dem der Heimwerker einen alten Cushion-Vinyl-Boden aus der Küche riss. Die Klebstoffreste schliff er ab, bis ein schöner Terrazzoboden zum Vorschein kam. Später ergab eine Raumluftmessung, dass sich durch die Staubentwicklung beim Schleifen Asbestfasern im ganzen Haus verteilt hatten. Mit einer aufwendigen Asbestsanierung, die mehrere Tausend Franken kostete, musste das Haus gereinigt werden.
Es ist deshalb sinnvoll, das Thema Schadstoffe frühzeitig anzugehen, eine Diagnostikerin oder einen Diagnostiker beizuziehen und falls erforderlich eine Asbestsanierung durchzuführen. Und zwar mit ausgewiesenen Fachleuten gemäss der Liste des Forums Asbest Schweiz, auch weil es gelegentlich zu Interessenkonflikten kommt, wenn gewisse Diagnostiker gleichzeitig Sanierungen anbieten. Um das zu vermeiden, wird in Fachkreisen immer wieder der Wunsch nach einer klaren Trennung von Diagnostik und Sanierung geäussert. Walter Hiltpold betont: «Die Untersuchung sowie die visuelle und messtechnische Schlusskontrolle der Sanierungsarbeiten sollten unabhängig von den Arbeiten der Asbestsanierungsfirma erfolgen.»
Gut zu wissen
Spritzasbest wurde in flüssiger Form als Spray aufgetragen und bildete nach dem Aushärten eine feuerfeste und wärmedämmende Schicht, die vor allem als Brandschutz- und Isoliermaterial diente. Spritzasbest war wegen der losen Bindung der Asbestfasern besonders gefährlich, da die Fasern leicht in die Luft gelangen und eingeatmet werden konnten. Das führte bei den damaligen Arbeitnehmern zu einem hohen Risiko für Asbestose (Staublungenkrankheit), Krebs in der Lunge oder für ein Mesotheliom an Brust- und Bauchfell.
Asbest wurde zudem in Zementprodukten (zum Beispiel Dachplatten und Rohrleitungen) verbaut. Das heisst, die Asbestfasern wurden dem Zement beigemischt, um diesem Festigkeit und Hitzebeständigkeit zu verleihen. Die Gefährdung durch Asbest war hier geringer als bei Spritzasbest, da die Fasern fest eingebunden waren, es sei denn, das Material wurde beschädigt oder bearbeitet.
Weitere Informationen
Forum Asbest Schweiz Leitfaden «Asbestsanierung beim Um- und Rückbau von Gebäuden»