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HEV-Veranstaltung 29.10.2024: Wohnungsmarkt und Politik

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Der neue CO2-Pranger der Stadt Winterthur

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Die Fakten: Die Stadt Winterthur hat vor einigen Tagen im Internet ein sogenanntes Energieportal aufgeschaltet. Dort ist öffentlich einsehbar, wie die CO₂-Bilanz jeder einzelnen Liegenschaft aussieht.

Warum das wichtig ist: Winterthur will mit dem Energieportal die Hausbesitzer auf mögliche Sanierungen aufmerksam machen. Sie nimmt dabei in Kauf, dass vermeintliche Klimasünder an den Pranger gestellt werden.

Das Zitat: «Ich glaubte, ich sei im falschen Film.» (Hausbesitzer Jörg Lorenz, als er im Energieportal Informationen zu seiner Liegenschaft entdeckte, die erst noch falsch waren)

Für jedermann einsehbar: Informationen auf dem Energieportal der Stadt Winterthur. Bild: Screenshot Energieportal

Das Energieportal der Stadt Winterthur

Link: Energieportal der Stadt Winterthur

  • Das Portal ist seit einer Woche aufgeschaltet. Es bietet laut einer Medienmitteilung der Stadt Winterthur eine «niederschwellige Online-Energieberatung» (siehe hier).
  • Man kann eine beliebige Adresse eingeben und erfährt dann, wie gross der CO₂-Ausstoss des entsprechenden Gebäudes ist.
  • Zudem gibt es Tipps, wie man die Liegenschaft energetisch sanieren kann, welches Potenzial für Solarenergie auf dem Dach besteht und welche Förderbeiträge bereitstehen.
  • Winterthur will mit dem Portal dem gesetzten Netto-Null-Ziel der Stadt bis 2040 näherkommen. Dazu müssten jährlich 350 Liegenschaften saniert werden. Heute sind es aber nur 130. 

Die Erfahrungen von Hausbesitzer Jörg Lorenz

  • Lorenz wohnt in einem eigenen freistehenden Einfamilienhaus.
  • Dieses Haus wurde 2009 energetisch totalsaniert. Jörg Lorenz ersetzte damals die Ölheizung durch eine Wärmepumpe und installierte auf dem Dach eine Solarthermie-Anlage (für warmes Wasser), mit der ebenfalls geheizt werden kann.
  • Als Lorenz im neuen Energieportal seine Adresse eingab, erschien die Information, dass der CO₂-Ausstoss seines Hauses «sehr hoch» und «nicht auf Kurs für Netto-Null» sei. Das Gebäude stosse pro Jahr über 25 Kilogramm CO₂ pro Quadratmeter aus.
  • Lorenz ist aufgebracht: «Die Informationen sind völlig falsch. Mein Haus ist seit der Sanierung CO₂-frei.»
  • Die fehlerhaften Angaben würden ihn als Hausbesitzer finanziell schädigen, sagt Lorenz. Denn bei einem allfälligen Verkauf müsse er damit rechnen, dass potenzielle Käufer sich über das Energieportal schlau machten und falsch über seine Liegenschaft informiert würden.
  • Überhaupt, sagt Jörg Lorenz, gehe die energetische Situation seiner Liegenschaft niemanden etwas an, ausser ihn selbst.

Der Standpunkt des Hauseigentümerverbandes

 Link: Medienmitteilung HEV

  • Der Hauseigentümerverband (HEV) der Region Winterthur schrieb diese Woche in einem Communiqué, dass das Energieportal viele Hauseigentümer «zu Unrecht an den CO₂-Pranger» stelle.
  • Der HEV bemängelt, dass der CO₂-Austoss im Energieportal einseitig auf die Heizungsart abstelle und nicht berücksichtige, wie das Gebäude gedämmt sei. Auch bereits getätigte energetische Massnahmen würden nicht berücksichtigt.
  • Zudem: «Bei mehreren Liegenschaften stimmen die publizierten Gebäudeinformationen nicht mit der tatsächlichen Situation überein.»
  • Wie HEV-Geschäftsführer Ralph Bauert zum «Nebelspalter» sagt, sollten Informationen zum CO₂-Ausstoss einzelner Gebäude nur dann öffentlich einsehbar sein, wenn der Eigentümer sein Einverständnis gegeben habe. Es genüge auch völlig, die Hausbesitzer direkt über die energetische Situation ihrer Liegenschaft zu informieren, falls die Stadt das als nötig erachte.
  • Der HEV Region Winterthur fordert die Stadt auf, das Energieportal umgehend zu deaktivieren. Vor einer allfälligen Wiederinbetriebnahme müssten Fehler eliminiert und das Einverständnis der Hausbesitzer eingeholt werden.
«Zu Unrecht an den CO₂-Pranger gestellt»: Ralph Bauert, Geschäftsführer HEV Region Winterthur. Bild: ZVg

Die Reaktion der Stadt Winterthur

Der «Nebelspalter» übermittelte der Stadt eine Reihe von Fragen. Das sind die wichtigsten Antworten:

  • Die im Energieportal verwendeten Daten zu Gebäuden und Heizlösungen seien dem eidgenössischen Gebäude- und Wohnungsregister entnommen. Sie seien schon bisher auf dem sogenannten Geoportal des Bundes einsehbar gewesen.
  • Diese Informationen würden nicht dem Datenschutz unterliegen, wie eine Abklärung der Stadt ergeben habe.
  • Das Energieportal sei nicht als CO₂-Pranger gedacht, sondern diene der Transparenz. «Sollte jemand grosse Neugier am Haus anderer Leute verspüren, so konnte die Person diese Informationen bereits bisher beim Portal des Bundes finden», schreibt die Stadt Winterthur.
  • Es sei möglich, dass das Energieportal «in Einzelfällen» Fehler aufweise. Um diese zu eliminieren, sei man auf Rückmeldungen aus der Bevölkerung angewiesen. «Eine E-Mail an uns genügt, und wir melden die Daten beim Bundesamt für Statistik zur Korrektur.»

Die Einordnung der Aussagen der Stadt Winterthur

  • Es stimmt, dass die CO₂-Informationen schon bisher auf dem Geoportal des Bundes einsehbar waren. Der «Nebelspalter» hat vor einem Jahr über dieses Geoportal berichtet (siehe hier). Der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte konnte damals keine abschliessende Antwort geben, ob die Aufschaltung rechtens ist.
  • Selbst wenn die Aufschaltung des Energieportals von Winterthur rechtlich einwandfrei sein sollte, ist nicht einzusehen, warum die Stadt die Daten zu einzelnen Liegenschaften erneut öffentlich zugänglich machen muss. 
  • Es ist nicht akzeptabel, wenn die Stadt sich auf den Standpunkt stellt, dass man allfällige Fehler im Energieportal ja melden könne. Die Stadt muss von sich aus sicherstellen, dass die Daten korrekt sind.

Meine Einschätzung

Das Ziel der Stadt Winterthur, bis 2040 Netto-Null zu erreichen, ist äusserst ambitioniert. Offenbar hat die rot-grün dominierte Stadtregierung realisiert, dass es ohne zusätzlichen Druck nicht geht. Jedenfalls entsteht beim neuen Energieportal tatsächlich der Eindruck, dass es darum geht, angebliche Klimasünder an den Pranger zu stellen.

Alex Reichmuth, Nebelspalter

Der Nebelspalter berichtet in der Onlineausgabe am 19. Juni 2024 über das Energieportal Winterthur. Dabei kommt ein betroffener Hauseigentümer zu Wort, HEV-Geschäftsführer Ralph Bauert erläutert die Forderungen vom Hauseigentümerverband Region Winterthur und die Stadt Winterthur reagiert auf die Fragen vom Nebelspalter.

Link zum Artikel vom Nebelspalter: Der neue CO₂-Pranger der Stadt Winterthur

Weitere Informationen zum Energieportal Winterthur finden Sie in diesen Artikeln:

Nebelspalter online vom 19. Juni 2024

PDF | 597 kB

Der neue CO₂-Pranger der Stadt Winterthur

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