Auf dem Podium des Hauseigentümerverbands wurde der Wohnungsmarkt diskutiert. Wie das Bauen vereinfacht und wie Einsprachemöglichkeiten erschwert werden könnten. Vielleicht auch deshalb, weil die Mieterseite fehlte.
Alles halb so schlimm – so begann der Text (AZ vom 29.10.2024) der Voranzeige für die Veranstaltung «Wohnungsmarkt und Politik» des Hauseigentümerverbands (HEV) Region Winterthur am Dienstag. Grundlage bildete die Analyse dessen Geschäftsführers Ralph Bauert. Die Preise seien nur leicht gestiegen, die Rendite sei tief. Und wer eine Wohnung suche, finde auch eine bezahlbare, so drei Hauptaussagen daraus.
Am Abend stellte er den rund 300 Interessierten seine Recherche vor, die danach Thema innerhalb der Expertenrunde auf dem Podium war. Er erntete dabei leichten Widerspruch. «Wenn alles rund ums Mieten kein Problem ist, warum sind wir dann hier?», fragte Winterthurs Stadtpräsident Michael Künzle (Mitte). Bei ihm würden sich viele besorgte Menschen melden, die Wohnraum suchten.
Angebot und Nachfrage
«Gibt es genügend Wohnungen am richtigen Ort zum richtigen Preis?», hatte zuvor Martin Tschirren, Direktor des Bundesamts für Wohnungswesen, in seinem Vortrag gefragt. Bei seinem Einstand im Amt vor fünf Jahren habe eine Schlagzeile gelautet, ob nicht zu viel gebaut werde und eben am falschen Ort – von einer Huttwilisierung sei die Rede gewesen, sodass einige Objekte nur mit zwei Gratismonaten vergeben werden konnten.
Die aktuelle Grafik zeigte, dass Wohnraum generell knapp ist. Zwar sei die Leerwohnungsziffer schon akuter gewesen, sagte er. Verschärft habe die Situation, dass sie rasant zurückgegangen, in Städten und Tourismusregionen gar halbiert worden sei. Von Pruntrut nach Winterthur zu pendeln, sei ja keine Option.
Für den Direktor des Bundesamts für Wohnungswesen ist der Wohnungsmarkt also aus dem Gleichgewicht geraten. Der hohen Nachfrage von etwa 50'000 Wohnungen pro Jahr (Tendenz gleichbleibend) stehe ein Angebot von 40'000 bis 44'000 Wohnungen gegenüber (Tendenz sinkend). Gründe seien kleinere Haushalte – zwei Drittel der Objekte würden von ein bis zwei Personen bewohnt –, die Zuwanderung sowie höhere Baukosten und längere Verfahren.
Kumulierter Schutz blockiert
Gregor Rutz, Nationalrat SVP und Präsident des HEV Schweiz, hat ein Übel ausgemacht. Es sei «krass», was alles geschützt sei. Einzelne Massnahmen könnten sinnvoll sein, der kumulative Effekt überschreite jedoch das gesunde Mass, die Entwicklung werde blockiert, sagte er, und nannte als Beispiel den HEV-Sitz in der Stadt. Sie müssten noch sechs Bäume pflanzen, dabei gehe es um ein Geschäftshaus. Das Potenzial für Verdichtung sei auch auf dem Land vorhanden, sagte Martin Farner, Kantonsrat FDP und Präsident HEV Winterthur. Allein im Stammertal seien 60 Gesuche pendent, sieht auch er zu hohe Schutzhürden.
Das enge Korsett des nationalen Inventars ISOS sei Thema im Städteverband gewesen, sagte Michael Künzle. Der Bund sehe Anpassungen auch als nötig. Verdichtung führe aber auch dazu, dass mehr Rechtsmittel ergriffen würden, räumte er ein. Für Nicole Barandun, Nationalrätin Die Mitte, kann aber auch zu einfach Einsprache erhoben werden. Das finanzielle Risiko liege allein bei jenen, die bauen wollten, so die Stiftungsrätin Bauen und Wohnen. Martin Tschirren sagte, diesbezüglich sei etwas im Tun. Um blosses Verzögern zu verhindern, sollen Einsprachen ab der zweiten Rekursinstanz nur noch mit finanziellen Folgen weitergezogen werden können.
Gerne hätte man die Stimme des Mieterverbands gehört. Moderator und HEV-Vorstandsmitglied Matthias Baumberger (Mitte) bedauerte, dass sich niemand von dieser Seite zur Verfügung gestellt hatte. Und so kamen mehr Eigentümer-Themen zur Sprache.
Rutz hofft auf gescheite Lösung
Keine HEV-Veranstaltung ohne das Thema Eigenmietwert. Der Nationalrat hat sich für einen vollständigen Systemwechsel ausgesprochen, die Vorlage ist nun beim Ständerat. Er hoffe auf eine gescheite Lösung, sagte Nationalrat Gregor Rutz (SVP) am Dienstag. Rechtliche Schritte eingeleitet hat der HEV Kanton Zürich gegen die Weisung des Regierungsrats, aufgrund stark gestiegener Immobilienpreise Liegenschaften neu zu bewerten. «Wenn man nun fürs Gleiche mehr bezahlen soll, müssen wir uns wehren», sagte Gregor Rutz. Bereits erreicht hat der HEV, dass die Weisung erst ab 2026 statt bereits ab 2025 gilt. Nun ruft der Verband aber das Verwaltungsgericht an. Der Regierungsrat hätte die laufende Gesetzesrevision auf Bundesebene zur Abschaffung des Eigenmietwerts abwarten müssen. Der Kanton rechnet durch die Neubewertung mit 85 Millionen Franken Mehreinnahmen.
Andelfinger Zeitung, Roland Spalinger
Die Andelfinger Zeitung berichtet in der Ausgabe vom 5. November 2024 über die Veranstaltung "Wohnungsmarkt und Politik" vom HEV Region Winterthur.