Der Hauseigentümerverband der Region Winterthur fordert, dass die Stadt ihr neu aufgeschaltetes Energieportal vom Netz nimmt. Diese sieht dazu keinen Anlass.
Das neue Energieportal der Stadt verärgert den Verband der Hauseigentümer der Region Winterthur. «Viele werden zu Unrecht an den CO₂-Pranger gestellt», schreibt er am Montag in einer Mitteilung. Der HEV Winterthur fordert darum, dass die Plattform deaktiviert und erst dann wieder aufgeschaltet wird, wenn die Daten korrekt sind und die Eigentümerinnen einer Publikation zustimmen.
Laut Geschäftsführer Ralph Bauert meldeten sich bis jetzt sechs unzufriedene Hauseigentümer. Drei hätten über falsche Daten geklagt. Zudem seien die Dämmung und bereits umgesetzte Massnahmen nicht berücksichtigt worden. Falsche Daten und damit eine zu schlechte CO₂-Bilanz, befürchtet Bauert, könnten finanziell negative Folgen haben – etwa auf den Verkaufspreis oder die Vermietung eines Hauses.
«Moderner Schandpfahl»
Ähnliche Zuschriften erhielt auch diese Redaktion. Das «Tool», schreibt ein Leser, stelle einen «modernen Schandpfahl» dar, «der Leute zu Unrecht generell und ohne Rücksichtnahme auf ihre individuellen Lebensumstände als ‹Klimasünder› brandmarkt». Kritisch sieht er auch, dass man über den GIS-Browser des Kantons ohne Problem die Eigentümer eines Hauses mit «mieser CO₂-Bilanz» einsehen kann.
Es bestehe die Gefahr, dass «Energiewende-Verweigerer» diffamiert würden. Ein weiterer Leser, dessen Haus laut Portal noch eine Ölheizung hat, ärgert sich: «Das Haus ist im Betrieb CO₂-frei seit über 15 Jahren.» Stadtwerk selbst habe damals, 2009, eine Luft-Wasser-Wärmepumpe realisiert.
Vor einer Woche hat Winterthur die neue Website aufgeschaltet. Dies, um der Energiewende neuen Schub zu geben. Denn noch werden zu wenig Gas- und Ölheizungen durch erneuerbare Systeme ersetzt. Pro Jahr müssten laut der Stadt rund 350 statt 130 Liegenschaften umgerüstet werden, um die klima- und energiepolitischen Ziele (netto null Tonnen CO₂ bis 2040) zu erreichen.
Um herauszufinden, ob das eigene `Haus oder das des Nachbarn auf Klimakurs ist, tippt man beim neuen Energieportal lediglich die Adresse ein. Die Website spuckt nicht nur den ungefähren CO₂-Ausstoss aufgrund der Heizung aus, sondern auch das Solarpotenzial auf dem Dach. Mit ein paar Zusatzangaben lässt sich auch berechnen, wie gut die Gebäudehülle gedämmt ist.
Falsche Daten verbessern
Eine breitere Palette an Feedbacks verzeichnete die Stadt: «Wir haben eine Handvoll positive wie auch kritische Rückmeldungen erhalten, ausserdem viele Hinweise und Wünsche nach Datenanpassungen», sagt Michael Graf, Sprecher des Baudepartements. Beim Testen des Prototyps im letzten Oktober seien die Rückmeldungen zum CO₂-Rechner ausschliesslich positiv gewesen: «Die Einfachheit, Verständlichkeit und die Empfehlung zum Heizungsersatz wurden als gut bewertet.»
Zur «Pranger»-Kritik sagt Graf, das Portal sei nicht wertend gemeint: «Es soll lediglich im Sinne der Transparenz aufzeigen, ob die Liegenschaft auf Kurs ist.» Es sei der Stadt auch bewusst, dass die Daten zu den CO₂-Emissionen grob seien. Für eine genauere Einschätzung gebe es den «Gebäudehülleeffizienz-Rechner» auf dem Portal. Die verwendeten Daten stammen aus dem Gebäude- und Wohnregister des Bundesamts für Statistik. Da die Daten bereits öffentlich seien, sehe man auch keinen Anlass, das Portal vom Netz zu nehmen.
Dass es um die Datenqualität nicht zum Besten steht, bestreitet Graf indes nicht. Um Fehler zu korrigieren und Lücken zu schliessen, sei man auf Rückmeldungen aus der Bevölkerung angewiesen: «Es ist also auch eine Chance, diese Daten des Bundes auf Vordermann zu bringen.» Die Anpassungen werden dem Bundesamt für Statistik einmal pro Monat gemeldet. Mit der damaligen Datenschutzbeauftragten der Stadt Winterthur sei eine ausführliche Abklärung vorgenommen worden. Aktuell ist die Datenschutzstelle verwaist, für spezifische Fragen könne man sich an jene des Kantons Zürich wenden.
Stadt soll Briefe schreiben
Den Einwand, dass es sich um öffentlich verfügbare Daten aus dem Gebäude- und Wohnregister des Bundesamts für Statistik handelt, lässt der HEV nicht gelten: «Unabhängig davon, was das Datenschutzgesetz sagt, bin ich der Meinung, dass diese Informationen zu den Liegenschaften nicht öffentlich sein müssen und die Stadt verantwortungsvoll mit Eigentümerdaten umgehen soll», sagt Bauert. Das Portal biete keinen Mehrwert: «Es nützt mehr, den Hauseigentümern einen Brief zu schreiben und ihnen eine Beratung anzubieten. So erreicht man mehr Eigentümer, da nur wenige das Energieportal kennen und nutzen werden», sagt der HEV-Geschäftsführer.
Einer, der den Mehrwert inzwischen sieht, ist Rolf Schenk. Der Hauseigentümer hat seine Meinung zum Energieportal geändert. Zwar scheint sein Reihenhaus im Blüemliquartier auf den ersten Blick alles andere als auf Klimakurs. Dank vielen kleinen Massnahmen habe er seinen Verbrauch aber so stark gedrosselt, dass eigentlich kein Handlungsbedarf mehr bestehe. So verbesserte Schenk die Innendämmung, ersetzte die Fenster und baute den Dachstock aus. Sein Fazit: «Man kann ein 90-jähriges Haus ohne kostspielige Aussendämmung auf einen sehr guten Standard bringen.» Noch verbessern liesse sich laut Schenk die Übersicht mit den drei Kategorien Heizung, Solarpotenzial und Sanierung.
Della Bachmann, Landbote
Der Landbote berichtet in der Ausgabe vom 18. Juni 2024 über das neue Energieportal Winterthur und warum der Hauseigentümerverband Region Winterthur die Deaktivierung des Onlineportals fordert, bis die Fehler behoben sind und die Eigentümerschaft der öffentlichen Publikation zustimmt.
Weitere Informationen zum Energieportal Winterthur finden Sie in diesen Artikeln: