Sollten Quartiere, denen der Gashahn zugedreht wird, doch noch hoffen können? Der Hauseigentümerverband plädiert dafür, dass die Stadt Alternativen prüft.
Der Hauseigentümerverband Region Winterthur (HEV) fordert in einer Medienmitteilung einen «Fernwärmeanschluss für alle Winterthurer Quartiere». Wo dies nicht möglich sei, müsse das Gasnetz in Betrieb bleiben und mit «klimafreundlichem Biogas betrieben werden».
Gesetzlich gebe es Spielraum, und in der Stadt Zürich sei der Einsatz von Biogas für «Teile von Affoltern, Leimbach und Witikon» auch vorgesehen. Warum also keine flexibleren Ansätze in Winterthur? Zum Beispiel fürs Oberwinterthurer Birchermüesliquartier? Dieses blieb bei den grossen Ausbauplänen für das städtische Fernwärmenetz aussen vor. Der Gashahn wird dennoch zugedreht. Falsch, findet HEV-Geschäftsführer Ralph Bauert. Und auch, dass die Birchermüesli-Anwohnerinnen und Anwohner bei der Stadt «auf taube Ohren» stiessen, finde er «nicht richtig».
Wäre Biogas also der faire Kompromiss, der allem gerecht wird? Den Klimazielen der Stadt? Und ebenso den Ansprüchen der Haushalte ohne Anschluss ans Fernwärmenetz? Und hat man diesen in der Stadt Zürich bereits gefunden?
«Würde 2 bis 3 Millionen Franken kosten»
Eher nicht, wie die Stadtzürcher Energiebeauftragte Silvia Banfi Frost auf Anfrage klarstellt. In der Stadt Zürich sehe man nur «in absoluten Einzelfällen» vor, künftig noch mit erneuerbaren Brennstoffen zu heizen: «Dort, wo es definitiv keine Alternativen gibt.» Wie allenfalls im Zürcher Niederdorf. Dort wäre ein zeitnaher Ausbau der thermischen Netze «technisch sehr anspruchsvoll» geworden.
Ansonsten, so Banfi Frost, sei Biogas viel zu wertvoll, um es sprichwörtlich zu verheizen. Strategisch setze man daher – wie die Stadt Winterthur – stark auf den Ausbau der thermischen Netze. Bis 2040 sollen rund 60 Prozent der Stadt abgedeckt sein. Mit dem Unterschied, dass man – anders als in Winterthur – neben der Kehrichtverwertungsanlage noch zig andere Energiequellen nutzen will: den See, die Limmat, das Grundwasser sowie die Abwärme aus der Abwasserreinigung und der Klärschlammverbrennung.
Der Winterthurer Energiestadtrat Stefan Fritschi (FDP) bleibt bei seinem Standpunkt, den er im letzten Dezember gegenüber dieser Zeitung schon vertreten hat. Es gebe bei der Wärme keine Versorgungspflicht für Stadtwerk Winterthur. Sehr wohl aber müsse Stadtwerk eigenwirtschaftlich funktionieren. Sprich: Auch der Ausbau des Fernwärmenetzes muss sich finanziell rechnen. Das Birchermüesliquartier mit seinen rund hundert Einheiten sei zu klein für einen Anschluss. Plus: Die Verlegung der Leitungen unter der Eulach und den Bahngleisen würde einen solchen zusätzlich verteuern, auf total 2 bis 3 Millionen Franken. «Das wäre eindeutig zu viel.» Überhaupt liessen sich das Fernwärmenetz und generell die städtischen Wärmenetze nicht beliebig ausbauen. Sondern nur so stark, dass die verfügbare Abfall- und Holzmenge ausreiche, um sie zu füttern.
Auch extra für das Birchermüesliquartier das Gasnetz weiterhin zu betreiben, wäre laut Fritschi unverhältnismässig. Punkto Biogas habe die Stadt eine klare Strategie. Es soll künftig nur noch als sogenannte Prozessenergie in der Industrie zum Einsatz kommen. Dort, wo es sehr hohe Temperaturen brauche. Klar sei aber auch, dass Biogas um ein Vielfaches teurer sei als Alternativen dazu. Im Birchermüesliquartier wären diese: Erdsonden, Luft-Wärme-Pumpen, Pellets oder Grundwasser.
Kleinräumiges und sehr gemischtes Quartier
Dort hat man zumindest in Teilen des Quartiers eine Lösung gefunden, wie Susan Bergen sagt, die Präsidentin vom Quartierverein Stadtrain. Ein Teil der Siedlung ist nämlich so gelegen, dass diese das Grundwasser als Energiequelle nutzen können. Dort habe man sich mittlerweile zusammengetan, um gemeinsam vorwärtszumachen. Bei vielen anderen Parzellen sei die Situation vertrackter. Das Quartier sei kleinräumig und sehr gemischt. Ein heterogener Mix aus verschiedenen Lagen, Baujahren, Generationen, Eigentümern und Mietern. «Da wird es schwierig, sich zusammenzutun und gemeinsam aktiv zu werden», sagt Bergen. Den genauen Überblick habe sie auch nicht. Schliesslich seien nicht alle Betroffenen auch Mitglied im Quartierverein. «Aber das Thema wird uns weiterhin beschäftigen.»
In einem Punkt scheinen sich HEV-Geschäftsführer Ralph Bauert und Stadtrat Fritschi einig. Auch bei schutzverdächtigen Häusern, wie im Birchermüesliquartier, müsse es möglich sein, das Dach mit Fotovoltaikpanels zu decken. Ohne Rekurse befürchten zu müssen und den nächsten Dämpfer zu erhalten. So, dass eine Wärmepumpe auch mit sauberem Solarstrom laufen würde.
Till Hirsekorn, Landbote
Der Landbote berichtet in der Ausgabe vom 14. August 2024 über die Forderung vom Hauseigentümerverband Region Winterthur, das Winterthurer Birchermüesli-Quartier an das Fernwärmenetz anzuschliessen und wenn das nicht möglich ist, den Weiterbetrieb der bestehenden Gasversorgung mit dem Einsatz von CO2-neutralem Biogas. HEV-Geschäftsführer Ralph Bauert erläutert die Forderungen vom Hauseigentümerverband und Stadtrat Stefan Fritschi nimmt dazu Stellung.
Weitere Informationen zur Stilllegung der Winterthurer Gasversorgung finden Sie in diesen Artikeln: