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Müssen Biodiversität, Quellwasser, politisches Mitspracherecht und Eigentum den Windparks weichen?

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Rund um die von der Baudirektion des Kantons Zürich geplanten 35 Eignungsgebiete für Windenergie laufen kritische Debatten. Am Beispiel des Stammerbergs erläutere ich meine Bedenken und werfe Fragen auf, die allesamt zu einer Kernfrage führen: Was wollen wir alles den Windparks unterordnen?

35 Eignungsgebiete für Windkraft im Kanton Zürich – 15 im Zürcher Weinland und im Raum Winterthur

Wie bereits in meinem Beitrag (Windräder – eine kritische Perspektive auf die Teilrevision des Energiegesetzes) vom September beschrieben, überarbeitet der Kanton Zürich den kantonalen Richtplan im Energiebereich, um erneuerbare Energien zu fördern. Geplant ist, Standorte für Windkraftanlagen verbindlich festzulegen, damit diese künftig schneller gebaut werden können. Die Baudirektion hat 20 Eignungsgebiete für Windenergie vorgeschlagen und 15 weitere als mögliche Kandidaten eingetragen. Von diesen insgesamt 35 Gebieten liegen 15 im Zürcher Weinland und rund um Winterthur (siehe Abbildung). Der Richtplanentwurf lag bis Ende Oktober öffentlich vor, und die eingegangenen Rückmeldungen werden nun geprüft.

Eignungsgebiete für Windenergie in der Region Winterthur

Nr. im PlanGebietsnameBetroffene Gemeinden
1CholfirstTrüllikon, Laufen-Uhwiesen, Benken
3StammerbergStammheim
4KleinandelfingenKleinandelfingen, Ossingen, Marthalen
5SchwerzenbergVolken, Dorf, Andelfingen
6BergbuckDorf, Neftenbach, Humlikon, Henggart
9BerenbergWinterthur
11ThalheimThalheim an der Thur, Altikon
12Berg (Dägerlen)Dägerlen, Dinhard, Thalheim an der Thur, Adlikon
13Rickenbach (Oberholz)Rickenbach, Altikon, Ellikon an der Thur, Wiesendangen
14EschbergWinterthur, Seuzach, Dinhard
15ZünikonWiesendangen, Hagenbuch, Elgg, Elsau
16SchneitbergHagenbuch, Elgg
17Elgg (Guegenhard)Elgg
47SchürBrütten, Oberembrach
48ChrombergBrütten, Winterthur
Eignungsgebiete für Windenergie in der Region Winterthur, Quelle:https://www.zh.ch/content/dam/zhweb/bilder-dokumente/themen/umwelt-tiere/energie/energieplanung/windenergie/awel_handout_eignungsgebiete_windenergie.pdf

Windkraftanlage auf dem Stammerberg: Ein Paradebeispiel für die Kontroversen

Ein umstrittener Standort ist in meiner Heimat, in Stammheim. Der Stammerberg, ein bewaldeter Höhenzug, zählt zum nationalen Landschaftsschutzgebiet und umschliesst ISOS-geschützte Dörfer mit historisch wertvollen Fachwerkhäusern. Auch das nahe gelegene Städtchen Stein am Rhein und die zum UNESCO-Welterbe gehörende Insel Werd befinden sich im Radius der potenziellen Immissionen. Die Region weist zudem eine hohe Biodiversität auf und beherbergt seltene Vogelarten wie die Feldlerche und den Baumfalken. Darüber hinaus werden die umliegenden Dörfer fast ausschliesslich durch das Quellwasser des Stammerbergs versorgt.

Gemäss Richtplanentwurf soll auf dem Stammerberg ein Windpark mit acht Turbinen entstehen, die jeweils 220 Meter hoch sind und Rotoren mit 160 Metern Durchmesser besitzen. Neben kulturellen und landschaftlichen Bedenken sind auch die Auswirkungen auf Flora, Fauna und die Trinkwasserversorgung äusserst ernst zu nehmen. Das Grundwassersystem ist sehr empfindlich und es ist nicht auszuschliessen, dass Wasserqualität und -verfügbarkeit durch die Fundamente und den Bau gefährdet werden. Dennoch hat es der Regierungsrat versäumt, entsprechende Studien in Auftrag zu geben.

Einschränkungen des Mitspracherechts und mögliche Enteignungen

Wie schon im letzten Artikel betont, sind nicht nur die direkten Enteignungen als kritisch zu betrachten. Auch die Entwertung von Liegenschaften und Grundstücken ist ein zentrales Thema. Zudem tangiert die geplante Einschränkung des Mitspracherechts der betroffenen Gemeinden die Gemeindeautonomie empfindlich. Durch das kantonale Plangenehmigungsverfahren hätten betroffene Gemeinden künftig weniger Einfluss auf die Genehmigung von Windkraftprojekten auf ihrem Gemeindegebiet.

Fazit – ist es gerechtfertigt?

Eine nachhaltige Energieversorgung ist für den Kanton Zürich und die ganze Schweiz zweifellos ein wichtiges und ernstzunehmendes Ziel. Doch die Auswahl von Eignungsgebieten sollte nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Wie das Beispiel des Stammerbergs zeigt, fehlen wichtige Umwelt- und Verträglichkeitsstudien, und die Risiken für die Wasserversorgung der Region werfen Fragen auf. Was wurde möglicherweise noch übersehen? Wie sieht es bei den anderen Eignungsgebieten aus? Es ist fraglich, ob die genannten Gebiete wirklich einen solch nennenswerten Beitrag zur nachhaltigen Energieversorgung leisten können, als dass es rechtfertigen würde, Biodiversität, Eigentumsrechte, kommunale Mitspracherechte, Beschneidung von Kulturgütern und die natürliche Trinkwasserversorgung aufs Spiel zu setzen.

Autor

Martin Farner-Brandenberger

Kantonsrat und Präsident Hauseigentümerverband Region Winterthur

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