Nach dem Nationalrat hat auch der Ständerat den dringenden gesetzlichen Handlungsbedarf für die Verbesserung der Gewährleistungsrechte bei Baumängeln erkannt. Er will allerdings weiterhin neben der gesetzlichen Verjährungsfrist zur Durchsetzung der Nachbesserung oder von Schadenersatz bei Baumängeln zusätzlich eine Rügefrist für die Anzeige von Mängeln vorschreiben. Immerhin verlängert er die Rügefrist von heute „sofort“ auf neu 60 Tage. Der HEV Schweiz unterstützte die Vorlage gemäss Nationalrat und ist enttäuscht über den Entscheid des Ständerates.
Die geltende Rechtslage ist für Käufer eines neu gebauten Haues oder Stockwerkeigentums und für private Bauherren schwierig. In der Praxis haben sich problematische Vertragsklauseln entwickelt, die private Bauherren und Käufer erheblich benachteiligen. Das geltende Gesetz geht von zwei gleich starken Partnern aus. Diese Annahme ist falsch. Die professionellen Unternehmer und Verkäufer von Neubauten diktieren die Vertragsbedingungen. Private haben keinen Verhandlungsspielraum, aufgrund des seit Jahren herrschenden Nachfrageüberschusses im Immobilienmarkt herrscht eine „Friss-oder-Stirb“ Mentalität.
Gestützt darauf hat der Nationalrat eine schlanke und praxistaugliche Vorlage geschaffen: Kernstück davon ist, die Abschaffung einer separaten gesetzlichen Rügefrist für Mängel neben der Verjährungsfrist. Heute besteht eine doppelte Voraussetzung für die Durchsetzung der Gewährleistungsrechte eines Immobilienkäufers oder Bauherrn. Erstens muss eine anforderungsreiche Rüge für jeden Mängel an der Kaufsache oder dem Bauwerk an die richtige Person innert einer sogenannten «Rügefrist» gerichtet werden. Verpasst der Käufer oder Bauherr diese Mängelfrist, verliert er sämtliche Gewährleistungsrechte gegenüber dem Verkäufer/Unternehmer. Die zweite Voraussetzung ist die Beachtung der Verjährungsfrist. Mit der Abschaffung der Rügefrist würde das heutige Hauptproblem gelöst, dass Käufer von Stockwerkeigentum und private Bauherren ihre gesetzliche Haftungsansprüche bei Baumängeln verlieren, weil sie es nicht schaffen, Baumängel innert der kurzen Frist detailliert beim richtigen Verantwortlichen zu rügen. Der HEV Schweiz unterstützte deshalb den Beschluss des Nationalrates. Der Ständerat anerkennt zwar den Handlungsbedarf zur Verbesserung der Haftung bei Baumängeln. Anders als der Nationalrat hat jedoch eine Mehrheit des Ständerates beschlossen, an der Frist zur Mängelrüge neben der Verjährungsfrist festzuhalten. Diese soll zwar auf 60 Tage verlängert werden, die Hauptproblematik, dass private Käufer und Bauherren all ihre Mängelrechte verlieren, weil sie nicht innert Frist eine den gesetzlichen Anforderungen genügende Mängelrüge zu verfassen, wird dadurch aber nicht gelöst.
Auch von einer Verlängerung der Verjährungsfrist will der Ständerat nichts wissen. Es bleibt bei der bestehenden Frist von fünf Jahren. Zudem soll diese weiterhin von den Verkäufern/Unternehmer im Vertrag verkürzt werden können. Der Nationalrat forderte, dass die Verjährungsfrist für Ansprüche des Käufers wegen Mängel am Grundstück respektive des Bestellers wegen Mängel am unbeweglichen Werk neu auf zehn Jahre festgelegt wird. Der Eintritt der Verjährung bedeutet für den Haus- und Stockwerkeigentümer, dass er seine Rechte bei Baumängeln nicht mehr durchsetzen kann und den Bauschaden selbst tragen muss. Ein Grossteil der Bestandteile eines Gebäudes hat eine Lebensdauer von mehreren Jahrzehnten. Der HEV Schweiz ist enttäuscht, dass private Laienkäufer und Bauherren vom Ständerat im Regen stehen gelassen werden.
Die Vorlage geht nun zurück an den Nationalrat. Der HEV Schweiz setzt sich dafür ein, dass die problematische Rechtlage privater Haus- und Stockwerkeigentümer bei Baumängeln verbessert wird.
Medienmitteilung HEV Schweiz
Der Anstoss kam vom HEV Region Winterthur
Diese beiden Gesetzesänderungen wurden vom HEV Region Winterthur angestossen. Die parlamentarische Initiative "Für faire Rügefristen im Werkvertragsrecht" wurde am 14. Dezember 2012 vom damaligen HEV-Präsident Nationalrat Markus Hutter im Nationalrat eingereicht. Auslöser dazu war ein Bundesgerichtsurteil von 2012 welches entschied, dass die Stadt Winterthur beim Schulhaus Sennhof die sofortige Rügefrist nicht eingehalten hat und Baumängel zu spät gerügt hat.
Zum Thema der Mängelabtretung bei Neubauten hat der HEV Region Winterthur am 26. November 2013 eine Fachtagung in Winterthur durchgeführt. An der Podiumsdiskussion diskutieren unter der Leitung von HEV-Geschäftsführer Ralph Bauert die Fachexperten Prof. Dr. Hubert Stöckli von der Universität Freiburg, Notariatsinspektor Kanton Zürich René Biber, Dr. iur. RA Thomas Siegenthaler und Dr. iur. RA Wolf S. Seidel den Haftungsausschluss und Abtretung von Mängelrechten beim Kauf von neu erstellten Immobilien. Daraus entstand die parlamentarische Initiative "Für verbindliche Haftungsregeln beim Kauf neuer Wohnungen", welche Nationalrätin Petra Gössi am 25. September 2014 im Nationalrat einreichte. Die Mängelabtretung beim Kauf von Neubauwohnungen, und dass der HEV Region Winterthur diese Mängelabtretung zum Schutz der Wohnungskäufer verbieten will, wurde auch im NZZ-Artikel "Böse Überraschungen beim Wohnungskauf" vom 18. Juni 2013 behandelt.
- Parlamentarische Initiative 14.502: Für faire Rügefristen im Werkvertragsrecht
- Parlamentarische Initiative 14.453: Für verbindliche Haftungsregeln beim Kauf neuer Wohnungen