Das Gas wird bis 2033 in grossen Teilen der Stadt abgestellt. Hausbesitzer müssen sich selbst um einen Ersatz kümmern. Doch nicht überall sind Lösungen absehbar.
In Kürze:
Es waren klare Worte, die der lokale Hauseigentümerverband (HEV) letzten Sommer an den Stadtrat richtete: «Wir fordern, dass die Stadt Winterthur für alle von der Gasstilllegung betroffenen Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer eine praktikable Lösung findet.» Dies weil die Stadt plant, bis 2033 zwei Drittel des Gasnetzes abzustellen, aber längst nicht allen Quartieren eine Alternative in Aussicht stellt. Vom Fernwärmenetz kann nur knapp die Hälfte der Stadt abgedeckt werden.
Besonders betroffen: das Birchermüesliquartier in Oberwinterthur. Die Stadt plant dort keinen Fernwärmeanschluss. «Weil das Quartier vom Grundwasserstrom durchzogen ist, dürfen aus Gründen des Gewässerschutzes auch keine Erdsondenheizungen installiert werden», heisst es vonseiten des HEV. Sinnvolle Lösungen seien ein Fernwärmeanschluss oder die Weiterbetreibung des Gasnetzes mit Gas aus erneuerbaren Brennstoffen.

Im Dezember reichten die Stadtparlamentarier Christian Hartmann (SVP) und Dani Romay (FDP) eine Anfrage dazu ein. Nun hat der Stadtrat sie beantwortet – und erteilt den Forderungen des HEV eine Absage. «Bei der Wärmeversorgung handelt es sich grundsätzlich um eine private Angelegenheit, für die noch nie ein öffentlicher Versorgungsauftrag bestand», so der Stadtrat in seiner Antwort. Der Ausbau des Versorgungsnetzes erfolge nur, wenn er wirtschaftlich sei.
Da die Abwärme der Kehrichtverwertungsanlage nicht für die ganze Stadt reiche, würden Gebiete mit hoher «Energiebedarfsdichte» priorisiert. Sprich: Weniger dicht bewohnte Siedlungen mit Reiheneinfamilienhäusern wie im Birchermüesliquartier müssen hintenanstehen. Das Wärmenetz müsste dort zudem die Eulach und die Eisenbahnlinie unterqueren. Es brauche deshalb ein «umfangreiches Vorprojekt», um zu prüfen, ob sich das lohnen würde. Die Kosten dafür müssten die Hauseigentümer tragen.
Auch die Idee des HEV, stattdessen das Gasnetz ökologisch weiterzubetreiben, sei nicht umsetzbar, da es an Biogas mangle und dieses zu teuer sei. Der «kontrollierte Rückzug aus der Gasversorgung» sei die logische Konsequenz daraus. «Es wäre unwirtschaftlich, das Gasnetz langfristig aufrechtzuerhalten, wenn der Absatz stetig sinkt.»
Kompromisse gefordert
Beim HEV teilt man mit, man erwarte nun, dass die Stadt den Anwohnern zumindest entgegenkomme: «Wenn das Gas wegfällt, muss sie bei der Bewilligung von anderen Heiz- und Energiesystemen genügend flexibel und kompromissbereit sein», so Geschäftsführer Ralph Bauert. Die betroffenen Hauseigentümer müssten auf ein «passendes und wirtschaftliches Heizsystem» umstellen können.
Dies gerade auch im Hinblick darauf, dass das Problem nicht aufs Birchermüesliquartier beschränkt ist. Der HEV sei schon von Hauseigentümern aus weiteren betroffenen Quartieren kontaktiert worden. «In Oberseen zum Beispiel hat mir ein Mitglied gesagt, dass die angekündigte Gasabstellung viele der 26 Siedlungseigentümer vor grosse finanzielle Probleme stelle – auch, weil die gemeinsame Gasheizung erst 2021 saniert wurde.»
In Oberwinterthur wiederum zeichnet sich zumindest in der ans Birchermüesliquartier angrenzenden Siedlung eine Lösung ab. Man habe eine Machbarkeitsstudie für die Nutzung der Grundwasserwärme durchführen lassen, sagt Anwohnerin Andrea Weber. Für 27 Partien komme dies nun tatsächlich infrage. «Wir werden im Mai eine Genossenschaft gründen, um das voranzutreiben. Im Herbst soll dann eine Probebohrung durchgeführt werden.»
Die Hauseigentümer müssen dabei einiges investieren. Rund 500 Stunden Arbeit habe die fünfköpfige Planungsgruppe schon geleistet, so Weber. Die Kosten für die Studie und die Probebohrung belaufen sich auf etwa 2000 Franken pro Partie, jene für den Leitungsbau und die eigene Wärmepumpe auf 70’000 bis 80’000 Franken pro Haus. «Langfristig ist die Grundwasserwärme aber ökologisch und finanziell die deutlich günstigste Variante», sagt sie.
Weber lobt die Unterstützung durch die Energieberatung der Stadt. Auch sie hofft nun aber auf ein Entgegenkommen der Behörden. Denn: Am einfachsten wäre es gemäss Machbarkeitsstudie, die Leitungen unter dem Fussweg entlang der Eulach zu verlegen. Bei der Stadt sei man damit auf Zurückhaltung gestossen. «Es hiess zuerst mal, da es ein privates Projekt sei, müsse es auch auf privatem Grund stattfinden.» Durch alle Gärten hindurch zu bauen, sei aber um einiges aufwendiger. «Wir wünschen uns deshalb mehr Offenheit von der Stadt, denn wir tragen mit der Erschliessung der Grundwasserwärme dazu bei, deren Klimaziele zu erreichen.»
Wirtschaftlichkeit ist vom Parlament vorgegeben
Für das Birchermüesliquartier westlich der Talackerstrasse hingegen kommt gemäss Energieplan der Stadt auch das Grundwasser als Heizquelle grösstenteils nicht infrage. Bei der Stadt geht man trotzdem davon aus, dass in jedem Fall eine individuelle Lösung gefunden werden kann. «Im Birchermüesliquartier stehen je nach Standort unterschiedliche Lösungen zur Verfügung», sagt Energie-Stadtrat Stefan Fritschi (FDP) mit Verweis auf den kommunalen Energieplan. Teile des Quartiers seien im Eignungsgebiet für Erdwärme, andere in jenem für Umgebungsluft oder Grundwasserwärme.
Am Grundsatz, dass Fernwärme sich rechnen müsse, sei aber nicht zu rütteln. Dies wurde vom Stadtparlament so festgelegt. Damit werde erstens sichergestellt, dass keine Steuergelder für den Ausbau des Wärmenetzes verwendet werden, so Fritschi. Und zweitens, dass die Stadt damit private Unternehmen nicht konkurrenziere.
Dass die Fernwärme wirtschaftlich sein muss, ist vom Kanton nicht zwingend vorgegeben. Das Stadtparlament könnte dies also ändern. «Das bräuchte aber einen Paradigmenwechsel in der städtischen Politik und wäre weitherum ein Novum», sagt Fritschi.
Stadtparlamentarier Christian Hartmann (SVP), der die Anfrage miteingereicht hat, sieht dies denn auch nicht als Lösung. «Ich bin dagegen, dass man irgendeinen Energieträger subventioniert», sagt er. Entsprechend heisse dies: «Es führt in den betroffenen Quartieren wohl nichts an eigenverantwortlichen Lösungen vorbei.»
Jonas Keller, Landbote
Der Landbote berichtet Online am 11. März 2025 und in der Ausgabe vom 17. März 2025 über die Antwort vom Winterthurer Stadtrat zur Anfrage im Stadtparlament und zur Forderung vom Hauseigentümerverband Region Winterthur, das Winterthurer Birchermüesli-Quartier an das Fernwärmenetz anzuschliessen und wenn das nicht möglich ist, den Weiterbetrieb der bestehenden Gasversorgung mit dem Einsatz von CO2-neutralem Biogas. HEV-Geschäftsführer Ralph Bauert ordnet die Antwort vom Stadtrat aus Sicht der betroffenen Hauseigentümer ein.
Weitere Informationen zur Stilllegung der Winterthurer Gasversorgung finden Sie in diesen Artikeln: