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Weshalb eine Finanzplanung als Wohneigentümer rechtzeitig angegangen werden muss

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Um das Eigenheim auch nach der Pensionierung sorgenfrei geniessen zu können, empfiehlt es sich, sich frühzeitig um die Altersvorsorge zu kümmern. © Shutterstock

Die folgende reale Geschichte mag auf den ersten Blick dramatisch erscheinen, doch sie widerspiegelt die Realität. Sie ist und muss nicht die Regel sein, aber sie soll aufzeigen, dass es nie zu früh für die Altersvorsorge als Wohneigentümer ist. Ein Report von Pascal Balsiger.

Die Geschichte beginnt im Jahr 1998 in einem ruhigen, beschaulichen Vorort in einer Gemeinde in der Deutschschweiz. Unsere Hauptdarsteller, nennen wir sie Joel und Patricia Moser, fahren gerade auf der A1. Selbst die vierjährige Emélie auf der Rückbank im Kindersitz strahlt. Die Familie Moser hat ihr Traumhaus gefunden: 5½ Zimmer, frei stehend, mit schönem Umschwung und Rasenfläche, der Platz für die Kinderschaukel steht auch schon fest.

Joel Moser hat ursprünglich eine Lehre als Zimmermann gemacht. Im Anschluss besuchte er die Fachhochschule und arbeitet seit rund drei Jahren, er ist mittlerweile 36 Jahre alt, als Ingenieur bei der örtlichen Holzbauunternehmung. Sein Bruttoeinkommen beläuft sich auf etwa 110'000 Franken. Patricia Moser, Pflegefachfrau und vier Jahre jünger als ihr Ehemann, wird, sobald Emélie im kommenden Jahr in den Kindergarten geht, mit einem Pensum von 40 Prozent bei der kantonalen Spitex arbeiten. Sie verdient ungefähr 31'000 Franken pro Jahr. Die anfänglichen Bedenken bezüglich Hypothek wurden zum Glück schnell zerschlagen. Der Bankberater sieht keine Probleme, was den Kredit betrifft, da die Berechnungen der Bank, namentlich die kalkulatorische Tragbarkeit¹ und die Belehnung², in der Norm sind.

Die Eltern von Patricia Moser überweisen wie versprochen 100'000 Franken im Rahmen eines Erbvorbezugs auf das bereits eröffnete Finanzierungskonto bei der Hausbank, und die angesparten Vermögenswerte in der 3. Säule bei der Bank werden ausbezahlt. Die Familie Moser schliesst bei der Bank eine klassische Finanzierung ab.

Kaufpreis Liegenschaft1'000'000 Franken
Eigenmittel³230'000 Franken
Vorbezug Pensionskasse60'000 Franken
Hypothek
Festhypothek⁵ über 6 Jahre zu 5 Prozent Zins
710'000 Franken
Amortisation⁶ pro Jahr 2867 Franken
Belehnung 71 Prozent
kalkulatorische Tragbarkeit¹ 34,2 Prozent
Einkommen, gemeinsam, brutto pro Jahr141'424 Franken

Die familiäre Situation ändert sich

Die anberaumte Verlängerung der Hypothek erweist sich als günstig: 40 Prozent weniger Zinskosten ab sofort, eine tolle Nachricht für die bald vierköpfige Familie. Ausserdem hat die Bankberaterin gesagt, dass der Wert der Immobilie seit dem Kauf stark gestiegen sei. Wir schreiben das Jahr 2014. Patricia und Joel Moser gehen wieder zur Bank für eine Hypothekenverlängerung, aber nicht nur. Die Ölheizung ist langsam in die Jahre gekommen, die Fenster sind nicht mehr das, was sie einmal waren, und die Wärmedämmung am Dach sollte ausgebessert werden. Ausserdem haben Emélie (bereits 20 Jahre alt und gerade mit einer Kollegin auf Städtereise) und Emélies Bruder Sandro, mittlerweile 9 Jahre alt, ihre Spuren hinterlassen. Die Dellen im Wohnzimmerparkett und die Abdrücke an der Wand im Schlafzimmer von Sandro sind Zeugen von zwei vitalen Kindern. Der Kostenvoranschlag beläuft sich auf 60  000 Franken.

40 Prozent weniger Zinskosten: 10 Jahre Festhypothek zu 4 Prozent Zins – die Zinsen haben sich in den letzten Jahren nach
unten entwickelt!

Aufstockung der Hypothek ist möglich

Nach kurzem Rechnen teilt die Beraterin mit, dass eine Aufstockung für die Renovationen möglich sei. Einerseits hat sich der Lohn von Joel Moser in den vergangenen Jahren deutlich erhöht, andererseits arbeitet Patricia Moser mittlerweile 50 Prozent. Deshalb steht den Sanierungsmassnahmen nichts mehr im Weg. Des Weiteren konnte die Familie Moser die Hypothek in Form einer zehnjährigen Festhypothek verlängern, und das zu 2,8 Prozent. Die Beraterin hat nicht nur eine Offerte erstellt, die trotz höherer Hypothek zu tieferen Kosten führt, sondern sie hat zudem mitgeteilt, dass der Wert der Liegenschaft weiter gestiegen sei, und zwar über 3 Prozent pro Jahr im Schnitt. Die Bankberaterin hat weiter informiert, dass eine Amortisation nicht mehr nötig sei, weil das Verhältnis zwischen Hypothekenhöhe und Wert der Liegenschaft, insbesondere nach der Renovation, in einem grossartigen Verhältnis stehe.

Frühling 2024: Die familiäre Situation hat sich erneut verändert. Joel und Patricia Moser werden bald Grosseltern, Emélie und ihr Lebenspartner haben vor rund zwei Wochen eine freudige Botschaft überbracht. Bei Joel und Patricia Moser stehen sowieso einige Dinge an. Am Esszimmertisch werden in den letzten Wochen intensive Gespräche zu folgenden Themen geführt: zeitgleiche und vorzeitige Pensionierung der Ehepartner, weiterlaufende Kosten aufgrund des Ingenieurstudiums von Sandro, Überschreibung der Liegenschaft auf Emélie und die Suche nach einer altersgerechten Wohnung, Vorsorgeguthaben aus der 3. Säule beziehen und Reduktion der Hypo­thek, Weltreise nach der Pensionierung, die immer schon ein Wunschtraum war. Umso mehr Gewicht verleihen Joel und
Patricia Moser dem kommenden Termin bei der Bank bezüglich der auslaufenden Hypothek. Erstmals will die Bank die Situation im Rentenalter analysieren, das kommt der Familie Moser sehr entgegen, und sie haben der Bank angekündigt, welche Themen ihnen unter den Nägeln brennen.

Verkehrswert⁷ Liegenschaft 1'900'000 Franken
Hypothek aktuell
(710'000 Franken plus 60'000 Franken für Renovationen)
770'000 Franken
Belehnung 40,5 Prozent
kalkulatorische Tragbarkeit24,9 Prozent
Einkommen, gemeinsam, brutto pro Jahr230'800 Franken

Hypothek muss gesenkt werden

Als Erstes kommuniziert der neue Berater, dass nun die Hypothek gesenkt werden müsse; zum Beispiel mit den Einzahlungen in die 3. Säule mit je 2867 Franken pro Jahr.

Der angesparte Betrag durch die indirekte Amortisation beläuft sich auf 85  475 Franken (74  542 Einzahlungen und 10  933 Franken Zinserträge auf dem Konto 3a bei der Bank).

Joel und Patricia Moser unterzeichnen den entsprechenden Saldierungsauftrag für das Konto 3a, damit die Hypothek wie besprochen reduziert werden kann. Nun wären da noch die Wunschträume, Pläne und Ideen mit Blick auf die Pensionierung. Die Aussage des Beraters ist kurz und unverständlich: «Das kommt ganz auf die Tragbarkeit im Alter an. Wie Ihnen sicherlich bewusst ist, wird Ihr Einkommen im Rentenalter stark sinken. Ihr Einkommen wird zukünftig nur noch aus der AHV- und der Pensionskassenrente bestehen. Wie ich gesehen habe, haben Sie vor 26 Jahren für den Hauskauf einen Pen­sionskassenbezug gemacht. Diese Lücke von 60  000 hat sich natürlich über all die Jahre stark vergrössert. Weiter werden Sie kaum mehr Abzüge in der Steuerklärung machen können. Lassen Sie mir doch bitte die aktuellen Pensionskassenausweise, die Rentenvorausberechnung und die Übersicht über alle Vermögenswerte auf dem Konto und in der Vorsorge zukommen, und wir treffen uns noch einmal.»

Fünf Wochen später erhält die Familie Moser Bescheid. Vorausgesetzt, dass die beiden Partner bis zum ordentlichen Pensionsalter arbeiten, erhalten sie voraussichtlich eine gemeinsame Rente von 118  120 Franken. Das ergäbe folgende Einkommens- und Vermögenssituation:

Die Situation ist gut. Ein Renteneinkommen von mehr als 100  000 Franken pro Jahr ist nicht selbstverständlich – trotzdem beträgt die kalkulatorische Tragbarkeit 48,72 Prozent, was über dem Grenzwert von 35 Prozent liegt. Der Grund: Die Einkommenseinbusse im Rentenalter gegenüber der heutigen Lohnsituation beträgt im vorliegenden Beispiel 48 Prozent, das heisst, dass das Einkommen sich im Rentenalter halbieren wird. Die Bank zeigt Lösungsansätze auf. Die Hypothek kann in den nächsten drei Jahren auf 440  000 Franken reduziert werden, sodass die Tragbarkeit wieder unter 35 Pro­zent fällt. Das entspricht einer Rückzahlung von insgesamt 330  000 Franken oder 110  000 Franken pro Jahr bis zur Pensionierung von Joel und Patricia Moser. Oder: Die Erwerbstätigkeit wird bis knapp 69 Jahre fortgesetzt, und der Bank werden 2000 Franken monatlich zurückbezahlt, dann wäre die Tragbarkeit ebenfalls wieder problemlos gegeben. Oder: Die Liegenschaft wird mit einem Gewinn (auch unter Berücksichtigung der Grundstückgewinnsteuer) verkauft, da sich der Wert seit dem Erwerb wesentlich erhöht hat.

Renteneinkommen Maximale Ehegattenrente AHV44'100 Franken
Pensionskassenrente
Joel Moser: 52'812 Franken
Patricia Moser: 21'208 Franken
118'120 Franken
Vermögen
Kontoguthaben: 132'012 Franken
Vorsorgeguthaben 3. Säule: 242'124 Franken
374'136 Franken

Fazit

Den Hypothekarzinsen und kurzfristigen Kosten wird grosse Aufmerksamkeit geschenkt. Mindestens genauso wichtig sind aber die Themen Risikoabsicherung und Tragbarkeit im Alter. Bei einem Kauf einer Liegenschaft ab dem Alter von 50 Jahren ist eine Finanzplanung mit Blick auf die Pensionierung und in Kombination mit einer Pensionsplanung sehr zu empfehlen. Wenn Joel und Patricia Moser schon beim Hauskauf eine entsprechende Planung angestossen hätten, wären die Zielhypothek im Rentenalter, eine saubere Staffelung der Vorsorgegelder für eine Steueroptimierung und die Absicherung der Familie in Bezug auf Invalidität und Tod zentrale Themen gewesen.

Im Rahmen der Begleitung und der regelmässigen Überprüfung der Planung hätte man allfällige Subventionsansprüche bei Renovationen und die Nachlassplanung in Bezug auf die Liegenschaft proaktiv behandeln können. Weiter wären die Wünsche des Ehepaars bezüglich vorzeitiger Pensionierung, Kapital nach der Pensionierung für die Weltreise und dass die Enkelkinder im Haus aufwachsen, in den Fokus gestellt worden.


Begriffserklärung

¹ Tragbarkeit

Eine Hypothek gilt für die finanzierende Bank als tragbar, wenn die Kosten für die kalkulatorischen Hypothekarzinsen (je nach Bank zwischen 4,5 Prozent und 5 Prozent), die Nebenkosten (klassisch 1 Prozent des Verkehrswerts) und die Kosten für die gesetzlich vorgeschriebenen Amortisationen nicht mehr als einen Drittel (je nach Bank zwischen 33 Prozent und 36 Prozent) des Bruttoeinkommens ausmachen.

² Belehnung

Mit der Belehnung wird das Verhältnis zwischen der Hypotheken­summe (abzüglich allfälliger Zusatzsicherheiten) und dem Wert einer Immobilie beziffert. Dabei wird zwischen der 1. Hypothek (zwei Drittel) und der 2. Hypothek (bis maximal 80 Prozent) unterschieden. Die zweite Hypothek muss, gemäss geltender Gesetzgebung, innerhalb von 15 Jahren zurückgeführt oder als Zusatzsicherheit angespart werden.

³ Eigenmittel

Für einen Hauskauf sind gesetzlich 10 Prozent des Kaufpreises einzubringen (wenn mehr als 20 Prozent eingebracht werden, ist die Finanzierung für die Bank ein Normgeschäft). Falls der Eigenmitteleinsatz weniger als 20 Prozent beträgt, wird das oft mit Auflagen der Bank «bestraft». Klassisch sind das eine Verpflichtung zur höheren Amortisation sowie Aufschläge bei der Zinsofferte.

Als Eigenmittel gelten Kontoguthaben, Wertschriftenguthaben, Gelder der 3. Säule und Schenkungen.

Sonderformen der Eigenmittel sind die Kapitalien in der beruflichen Vorsorge/Pensionskasse. Diese können grundsätzlich ebenfalls eingebracht oder verpfändet werden, können aber nicht für die gesetzlich geforderten 10 Prozent verwendet werden.

Vorbezug Pensionskasse

In der heutigen Zeit ist die Berücksichtigung der beruflichen Vorsorge bei einem Eigenheimkauf häufig gewünscht. Das ist einerseits auf die stetig sinkenden Leistungen der Pensionskassen (Stichwort Umwandlungssatz und Deckungsbeitrag) und andererseits auf stark gestiegene Liegenschaftspreise zurückzuführen. Weiter haben gewisse Pensionskassen aufgrund von nötigen Sanierungsmassnahmen an Vertrauen verloren. Bei einem Eigenheimkauf werden heute oft Beträge vorbezogen. Achtung: Der Vorbezug löst eine Steuerbelastung aus, die nicht über die Hypothek getragen werden kann.

Festhypothek

Eine Festhypothek ist ein klassisches Hypothekenprodukt. Neben dem Betrag und der Laufzeit werden ein Zinssatz und allfällige Rückzahlungen/Amortisationen fix definiert. Das sorgt für Budgetsicherheit und gewährt während der entsprechenden Laufzeit Schutz vor steigenden Zinsen.

Amortisation

Mit der Amortisation ist die Rückführung der Hypothekenschuld gemeint. Der Betrag der 2. Hypothek ist innerhalb von maximal 15 Jahren oder bis zur Pensionierung linear (jedes Jahr der gleiche Betrag) zurückzuführen (direkte Amortisation) oder über die 3. Säule anzusparen (indirekte Amortisation).

Verkehrswert

Beim Verkehrswert handelt es sich per Definition um den Marktwert der Liegenschaft.

Wichtig ist zu beachten, dass die Banken eigenständig interne Bewertungen vornehmen. Diese sind aus Sicherheitsüberlegungen und aufgrund der gesetzlichen Vorgabe eher defensiv gehalten (sogenanntes Niederstwertprinzip). Es ist also möglich, dass Sie bei einem Liegenschaftskauf von der Bank die Aussage erhalten, dass der bank­interne Verkehrswert tiefer ausfällt als der Marktwert. Das führt dazu, dass sich die Berechnung der Bank und dadurch die benötigten Eigenmittel verändern.

Autor

Pascal Balsiger

Senior Consultant und Finanzierungsexperte
Fina

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