Die einfache Frage, ob Windräder den Immobilienwert mindern, ist politisch geprägt und Studienergebnisse werden so interpretiert, dass sie die gewünschte Meinung bestätigen. Eine fachliche und wertneutrale Diskussion wird durch ideologische Tunnelblicke verhindert, der gesunde Menschenverstand ausser Kraft gesetzt.
Bei der Frage, wie stark Windräder den Immobilienwert betroffener Liegenschaften beeinflussen, gehen die Meinungen diametral auseinander. Während Windkraftbefürworter einen negativen Einfluss bestreiten, behaupten Windkraftgegner eine Unverkäuflichkeit von Liegenschaften in der Nähe von Windenergieanlagen. Um die jeweilige Meinung zu untermauern, werden mehr oder weniger seriöse Studien zitiert und passende Aussagen aus dem Zusammenhang gerissen. Eine zielführende Diskussion wird durch die ideologische Haltung verhindert.
Während es in der Schweiz erst wenige Windräder gibt, wurden im Ausland bereits zahlreiche Windenergieanlagen sowie Windparks erstellt und betrieben. Viele Studien zum Einfluss dieser Anlagen auf Immobilien stammen aus dem Ausland und die Studienergebnisse können nur beschränkt auf die Schweiz angewendet werden. Einerseits handelt es sich oft um ältere und kleinere Windturbinen, anderseits beträgt der Abstand zu Liegenschaften häufig mehrere Kilometer.
Die einzige Studie in der Schweiz wurde 2019 von Wüest Partner im Auftrag des Kantons Thurgau erstellt. Mit einem GIS-basierten hedonischen Modell wurden die Auswirkungen von Windenergieanlagen auf Einfamilienhäuser im Umkreis von 10 Kilometern ausgewertet. Im Fazit beschreibt Wüest Partner, dass mit den zur Verfügung stehenden Daten keine abschliessende Aussage möglich sei. Der gewählte Untersuchungsparameter von 10 Kilometern erscheint als zu grosszügig, da die stärksten Beeinträchtigungen durch den Betrieb von Windenergieanlagen wie Lärm oder Schattenwurf nur innerhalb einer relativ kleinen Distanz wirksam seien. Trotz dieses Fazits wird die Studie von Windkraftbefürwortern so uminterpretiert, dass Windenergieanlagen keinen Einfluss auf Immobilienwerte hätten.
Eine zielführende Diskussion wird verhindert.
Ralph Bauert
Im Herbst 2023 habe ich den Einfluss von Windenergieanlagen auf den Immobilienwert analysiert. Als Grundlage dienten Windturbinen mit einer Gesamthöhe von 220 Metern sowie bisherige Studienergebnisse zu Windrädern und anderen Werteinflussfaktoren. Meine Analyse ergab, dass bei einem Abstand von 1000 Metern die durchschnittliche Wertminderung 8 Prozent beträgt, bei einem Abstand von 2000 Metern reduziert sich die Wertminderung auf 5 Prozent.
Wie Studien benutzt werden, um die eigene Meinung zu bestätigen, zeigt eine Studie der Columbia Universität vom März 2024. Schweizer Windkraftbefürworter zitieren daraus, dass Windräder kaum Auswirkungen auf die Immobilienpreise hätten. Dabei wird auf das Studienergebnis abgestützt, dass sich Hauspreise um 1 Prozent reduzieren, wenn im Umkreis von 10 Kilometern eine Windkraftanlage steht. In der Schweiz würde bei einem solchen Mindestabstand kaum je ein Windrad gebaut. Für unsere Verhältnisse übertragbar ist dagegen das Studienergebnis, dass Immobilien in weniger als 2 Kilometern Abstand zur Windkraftanlage bis zu 8 Prozent an Wert verlieren. Damit kommt die Studie der Columbia Universität zu einem ähnlichen Ergebnis wie meine eigene Analyse.
Die Auswirkungen von Windenergieanlagen sind von vielen Faktoren abhängig. Der gesunde Menschenverstand und meine Erfahrungen sagen mir aber, dass eine Windturbine von 220 Metern Höhe sicher einen Einfluss auf nahestehende Liegenschaften hat, die Frage ist nur, wie hoch der Wertverlust ist.
Mit dem deutlichen Ja zum Stromgesetz werden Windturbinen ein Thema bleiben. Ich hoffe, dass dabei die ideologischen Scheuklappen abgelegt und die Diskussionen über die Wertminderung fachlich geführt werden.
Im Fachmagazin Zoom für Schweizer Immobilienschätzer vom Schweizer Immobilienschätzer-Verband SIV wird in der Rubrik Blankoscheck der Ausgabe Oktober 2024 der Artikel "Windräder und Immobilienwert" von HEV-Geschäftsführer Ralph Bauert publiziert.