Kaum ein Zürcher Schüler oder eine Zürcher Schülerin hat nicht irgendwann eine Schulreise auf die Kyburg unternommen und im Geografieunterricht gelernt, dass Effretikon ein wichtiger Eisenbahn-Knotenpunkt ist. In die Schlagzeilen geraten sind Kyburg und Illnau-Effretikon, weil im Schnellzugstempo und in Harmonie ein Zusammenschlussprojekt mit Modellcharakter durchgezogen wurde.
Geschichtliches
Erstmals werden Illnau, Effretikon und Mesikon am 10. September 745 in einer Schenkungsurkunde an das Kloster St. Gallen erwähnt. Rund 250 Jahre später erfolgte die erste Erwähnung der Kyburg im Jahr 1027. Im Mittelalter starben die Erbauer der Kyburg die Herren von Winterthur aus und nur das Stadtwappen von Winterthur erinnert noch an die Verbindung Kyburg-Winterthur. Doch die Bedeutung der Kyburg als Regierungszentrum des Kantons Zürich blieb bis in die Neuzeit (1831) erhalten. Nach turbulenten Zeiten kaufte 1917 der Kanton Zürich die Anlage für 150‘000 Franken. Heute ist die Burg ein modernes Museum, welches einlädt, Geschichte und Geschichten zu entdecken.
Hoch auf dem Plateau über der Kempt thront die Kirche von Illnau. Diese hatte für die Entwicklung der Gemeinde eine zentrale Bedeutung. So wurde die grosse Kirchgemeinde Illnau auch die politische Gemeinde Illnau, welche 1974 zur Stadt Illnau-Effretikon wurde. Trotz der Lage in der Agglomeration von Zürich und Winterthur ist Illnau-Effretikon ländlich geblieben. Neben dem eher urbanen Effretikon und Illnau sind viele Weiler und Dörfer ländlich geprägt.
Kyburg unter Druck
Mit dem neuen Finanzausgleich (Inkraftsetzung 2012) erhielt Kyburg längerfristig weniger Ausgleichsbeiträge und der Übergangsausgleich war bis 2017 beschränkt. Die Gemeinde Kyburg konnte unter dem neuen Finanzausgleich keinen eigenständigen Finanzhaushalt mehr führen. Sie war unter der Führung des Kantons in ihren Entscheiden sehr eingeengt. Die Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden waren ausgeschöpft (Wasserversorgung, Abwasser, Feuerwehr, Zivilstandsamt, Zivilschutz etc.). Ab 2018 drohte eine Steuererhöhung von 124 auf über 130 %. Unter diesem Druck war Handeln notwendig.
Der Gemeinderat handelt
Der Gemeinderat von Kyburg prüfte verschiedene Varianten, um eigenständig bleiben zu können. Die gute Infrastruktur der Schule sollte es doch möglich machen, dass eine Lösung mit einer Nachbargemeinde für die mit hohen Kosten verbundene Schule gefunden werden kann. Im Frühjahr 2012 präsentierte der Gemeinderat seine Vorstellungen. Doch die Bürgerinnen und Bürger waren anderer Meinung. Unter der Leitung von Gemeinderat Thomas Schumacher fanden intensive Gespräche und Veranstaltungen statt. Aus sechs Varianten wählten die Stimmbürgerinnen und –bürger die Variante „Zusammenschluss mit einer Nachbargemeinde“. Über diese wurde im November 2012 an der Urne abgestimmt.
Mit den umliegenden Gemeinden wurden Grundsatzdiskussionen geführt, ob ein Interesse an einem Zusammenschluss vorhanden wäre. Weisslingen und Illnau-Effretikon zeigten sich für weiterführende Gespräche offen. An einer öffentlichen Veranstaltung wurden die beiden möglichen Partner der Bevölkerung in Kyburg vorgestellt. In einer 2. Grundsatzabstimmung hatte die Kyburger Bevölkerung wiederum die Möglichkeit ihre Meinung in einer Volksabstimmung mitzuteilen. Mit einem deutlichen Ja von 75 % sprachen sie sich für weitergehende Verhandlungen mit Illnau-Effretikon aus.
Grundvoraussetzungen für einen Gemeinde-Zusammenschluss
Wenn Gemeinden sich zusammentun wird viel gerechnet. Steigt der Steuerfuss oder sinkt er? Was ist mein Vorteil? Was wenig gefragt wird, ist die langfristige Bedeutung des Entscheides. Ja – es sind historische Entscheide, welche gefällt werden müssen. Ist es da richtig, nur die Jahresrechnungen der letzten beiden Jahre und Planrechnungen der nächsten vier Jahre zu Rate zu ziehen? Grundvoraussetzung für einen Zusammenschluss ist, dass die Gemeinden langfristig zusammenpassen und nicht, ob die Rechnung kurzfristig aufgeht. In Illnau-Effretikon und Kyburg kannten sich der Stadt- und der Gemeinderat. Man hatte Respekt vor der jeweiligen Geschichte und den Wurzeln der Gemeinden. Vor allem war man sich bewusst, dass die ländlichen Gebiete von Kyburg und Illnau-Effretikon die gleichen Anforderungen haben.
Zusammenschlussvertrag
Der Kanton Zürich unterstützt den Zusammenschluss von Gemeinden und macht diese so attraktiver. In erster Linie spart der Kanton selber, indem er die verschiedenen Ausgleichsbeiträge nicht mehr zahlen muss. Im Zusammenschlussvertrag werden wichtige Dinge geregelt. Vom Wappen bis zu den Wahlen muss die zukünftige Version abgemacht werden. Doch muss auch festgelegt werden, was noch vor einer Eingemeindung erledigt werden muss. Die Verwaltung hat eine Pendenzenliste mit über 250 Positionen, welche es bei einem Zusammenschluss abzuarbeiten gilt. Viele Dinge stehen an, welche jedoch in einem guten Einvernehmen der beiden Exekutiven geregelt werden können. Mit Grosszügigkeit und Weitblick muss das Jahrhundertwerk angegangen werden.
Kommunikation
Wichtig für ein Gelingen ist die gute Kommunikation. In Illnau-Effretikon musste die Bevölkerung, der Gemeinderat und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung anders als in Kyburg informiert werden. Mit dem traditionellen Weibel konnten in Kyburg noch Informationen verteilt werden. Im Lokalblatt erschienen in loser Folge interessante Details über Kyburg und Illnau-Effretikon und ihre vielen Aussenwachten.
Zusammenschluss
Hart an der heute nicht mehr existierenden Grenze zwischen Kyburg und Illnau-Effretikon wurde ein Festzelt ausserhalb von First aufgestellt. Am 14. Juni 2015 stimmten die Kyburger mit 81 % und die Illnau-Effretiker mit 89 % einem Zusammenschluss zu. Man sass abends lange im Festzelt und feierte den historischen Entscheid.
Zusammen geht es besser
Die Kyburger sind ausgesprochen gerne an ihrem Wohnort. Woraus auch die Sorge zum Ortsbild und zur Natur erwächst. Doch haben sie sich auch gut in Illnau-Effretikon integriert. Die anstehenden Wahlen zeigen, dass sie sich auch politisch engagieren wollen.
Mit dem Zusammenschluss hat die Bevölkerung in Illnau-Effretikon nur um rund 2,5 % zugenommen. Jedoch ist die Stadtgemeinde um rund 30 % auf 3‘291 ha Fläche gewachsen. Neue Herausforderungen sind mit dem Zusammenschluss auf die Politik und die Verwaltung zugekommen. Doch zum Wohl aller Bürgerinnen und Bürger konnten bisher alle anfallenden Aufgaben gut gelöst werden. Kyburg und Illnau-Effretikon ist eine echte Erfolgsgeschichte wenn nicht gar eine Lovestory. Sie kann eine Anregung für andere Gemeinden sein.