Oft ist es für die Ausführung von Bauarbeiten oder Reparatur- und Unterhaltsarbeiten an bestehenden Bauten und Anlagen nötig oder zweckmässig, dass dafür der angrenzende Teil des nachbarlichen Grundstücks beansprucht wird. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn (1) eine an der Grenze stehende Wand ausgebessert und neu gestrichen werden muss und dafür ein Gerüst vonnöten ist; ebenfalls wenn (2) angesichts enger Platzverhältnisse der Grenzbereich des Nachbargrundstücks als Lagerplatz für Baumaterialien oder -installationen benötigt wird, (3) eine Baugrube durch Erdanker im Nachbargrundstück gesichert werden soll, (4) die Baustellenzufahrt über fremden Boden erfolgen muss oder (5) Teile eines Krans auf das Nachbargrundstück ragen.
Grundsätzlich muss ein Nachbar derartige direkte Einwirkungen, wie das Betreten, Befahren oder Abgraben durch einen nachbarlichen Bauherrn bzw. durch die von ihm mit den Arbeiten beauftragten Personen nicht dulden und kann sie abwehren (Art. 641 Abs. 2 ZGB). In Art. 695 ZGB ist jedoch eine Ausnahme davon vorgesehen. Gemäss dieser Bestimmung können die Kantone über die Befugnis des Grundeigentümers, zum Zwecke der Bewirtschaftung oder Vornahme von Ausbesserungen und Bauten das nachbarliche Grundstück zu betreten, nähere Vorschriften erlassen. Im Kanton Zürich ist diese Befugnis trotz Ihres privatrechtlichen Charakters im Zürcher Planungs- und Baugesetz (PBG) geregelt und wird landläufig Hammerschlags- oder Leiterrecht genannt.
Gesetzliche Regelung des Hammerschlagsrechts im Kanton Zürich
Gemäss § 229 PBG ist jeder Grundeigentümer berechtigt, Nachbargrundstücke zu betreten und vorübergehend zu benutzen, soweit es, Vorbereitungshandlungen eingeschlossen, für die Erstellung, die Veränderung oder den Unterhalt von Bauten, Anlagen, Ausstattungen und Ausrüstungen nötig ist und soweit dadurch das Eigentum des Betroffenen nicht unzumutbar gefährdet oder beeinträchtigt wird (Abs. 1). Dieses Recht ist möglichst schonend und gegen volle Entschädigung auszuüben (Abs. 2).
Die Inanspruchnahme ist dem Betroffenen vom Ansprecher genau und rechtzeitig schriftlich mitzuteilen (§ 230 Abs. 1 PBG). Stimmt der Betroffene innert 30 Tagen seit der Mitteilung nicht zu oder einigen sich die Beteiligten über die Entschädigung nicht, entscheidet auf Begehren des Ansprechers die örtliche Baubehörde in raschem Verfahren über die Zulässigkeit des Begehrens und über die Entschädigung (Abs. 2).
Inhalt des Hammerschlagsrechts
Sinn des Hammerschlagsrechts ist es somit, einem Grundeigentümer zu erlauben, grenznahe Arbeiten auf der an sein Grundstück anstossenden Seite des Nachbargrundstücks auszuführen bzw. ausführen zu lassen. Das Hammerschlagsrecht belastet somit nur unmittelbar aneinanderstossende Grundstücke; ein entfernteres Grundstück kann deshalb nicht beansprucht werden.
Angesichts der Tatsache, dass das Hammerschlagsrecht einen grossen Eingriff ins Eigentumsrecht des Nachbarn darstellt, muss die Beanspruchung des Nachbargrundstücks möglichst schonend und nur solange wie nötig erfolgen und darf das nachbarliche Eigentum nicht unzumutbar gefährden oder beeinträchtigen. Die beanspruchte fremde Fläche ist begrenzt, wie z.B. auf den für das Aufstellen des Baugerüstes notwendigen Bereich.
Verfahren des Hammerschlagsrechts und Rechtsmittel
Der Grundeigentümer, der das Hammerschlagsrecht beanspruchen möchte, hat den Nachbarn über sein Ansinnen genau und rechtzeitig schriftlich - aus Beweisgründen z.B. per Einschreiben - zu benachrichtigen. Der Bauherr soll somit zuerst versuchen, sich mit dem Nachbarn über die teilweise und vorübergehende Benutzung des Nachbargrundstücks und die dafür geschuldete Entschädigung zu einigen. Eine eigenmächtige Inanspruchnahme des Grundstücks ohne vorgängige Einwilligung des betroffenen Nachbarn bzw. der zuständigen Baubehörde kann strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen (Hausfriedensbruch (Art. 186 StGB) oder Sachbeschädigung (Art. 144 StGB)).
Kann keine Einigung erzielt werden, sei es, dass der Nachbar nicht innert 30 Tagen seit der Mitteilung dem Vorhaben seine Zustimmung erteilt, sei es, dass sich die Parteien nicht über die Entschädigung einigen können, muss der Bauherr sein Hammerschlagsrecht bei der örtlichen Baubehörde einklagen. Diese hat im raschen Verfahren und nach Anhörung aller Beteiligten zu entscheiden, ob und in welchem Umfang das Nachbargrundstück betreten bzw. genutzt werden darf und die Höhe der Entschädigung festzulegen. Für beides kommt der Baubehörde ein erheblicher Ermessenspielraum zu. Das Baurekursgericht des Kantons Zürich berechnet die Entschädigung grundsätzlich nach der Dauer der Beanspruchung, dem Verkehrswert des beanspruchten Landes und nach dem aktuellen Zinssatz der Zürcher Kantonalbank für 1. Hypotheken (§ 4 PBG).
Gegen den Entscheid der Baubehörde über die Zulässigkeit der Inanspruchnahme und die Entschädigungshöhe kann Rekurs beim Baurekursgericht des Kantons Zürich eingereicht werden. Dessen Entscheid kann mit Beschwerde beim kantonalen Verwaltungsgericht angefochten werden.
Anspruch auf volle Entschädigung und Wiederherstellung
Der betroffene Nachbar hat Anspruch auf volle Entschädigung: Dazu gehören nicht nur nachweisbare Vermögenseinbussen (z.B. ein vermieteter Parkplatz kann vorübergehend nicht gebraucht werden) sondern auch Inkonvenienzen (z.B. eingeschränkte Zufahrt). Einen Anspruch auf eine Erfolgsbeteiligung an den durch die Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks eingesparten Baukosten hat der Nachbar aber nicht.
Von der Entschädigung für die Inanspruchnahme des Drittgrundstücks sind die Kosten der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes oder die Behebung von durch Bauarbeiten verursachten Schäden zu unterscheiden. Hierfür werden die Parteien nach Zürcher Praxis auf den Zivilweg verwiesen mit der Begründung, die Bezifferung dieser Kosten seien im Zeitpunkt des Entscheids über die Entschädigung noch nicht möglich. Dies ist für den Nachbarn sehr unbefriedigend; weil nicht selten die Wiederherstellung nur ungenügend erfolgt.
Relevanz des Hammerschlagsrechts in der Zukunft
Angesichts der Tatsache, dass das Bauland im Kanton Zürich immer knapper und das verdichtete Bauen immer aktueller wird, gibt das soeben behandelte Thema in Zukunft wohl vermehrt zu reden; insbesondere dann, wenn der Nachbar sein Land, wenn auch nur vorübergehend, hergeben muss, obwohl dies technisch gar nicht nötig wäre, jedoch für den Bauenden kostenmässig Vorteile bringt.